Mineralische Farben wie Silikatfarbe sind seit Jahrzehnten beliebt für den Anstrich von Wänden. Sie bieten eine hohe Schimmelresistenz dank ihres alkalischen pH-Werts. Doch trotz ihrer Vorteile gibt es auch Einschränkungen, die Bauherren kennen sollten.
Die chemische Reaktion mit mineralischen Untergründen – die sogenannte Verkieselung – sorgt für eine langlebige Beschichtung. Allerdings ist die fertig angemischte Farbe nur etwa 48 Stunden verwendbar. Zudem erfordert die Verarbeitung Schutzausrüstung.
Für weniger geübte Handwerker kann Dispersionssilikatfarbe eine praktische Alternative sein. Sie enthält bis zu 5% Kunstharz und ist einfacher zu verarbeiten. Wir zeigen, worauf Sie bei der Wahl der richtigen Farbe achten sollten.
Was ist Silikatfarbe? Ein kurzer Überblick
Johann von Fuchs revolutionierte 1818 die industrielle Nutzung mineralischer Bindemittel. Seine Entdeckung des Kaliwasserglas als Basis für reine Silikatfarbe prägt bis heute die Bauwelt.
Definition und Zusammensetzung
Silikatfarbe besteht aus zwei Komponenten: Kaliumsilikat-Lösung (Kaliwasserglas) und anorganischen Pigmenten. Das Bindemittel reagiert chemisch mit mineralischen Untergründen wie Kalkputz oder Beton.
Diese Verkieselung macht die Farbe extrem haltbar. Im Gegensatz zu Dispersionsfarben deckt sie nicht nur, sondern verbindet sich dauerhaft mit dem Untergrund.
Historische Entwicklung und moderne Anwendung
Bereits im 17. Jahrhundert experimentierten Handwerker mit mineralischen Farben. Durch Johann von Fuchs wurde das Verfahren industrietauglich.
Heute schätzt man Silikatfarbe besonders in der Denkmalpflege. Ihr authentisches Erscheinungsbild erhält historische Fassaden originalgetreu.
Eigenschaft | Silikatfarbe | Dispersionsfarbe |
---|---|---|
Bindemittel | Kaliwasserglas | Kunstharz |
Untergrund | Nur mineralisch | Alle Typen |
Haltbarkeit | >50 Jahre | 15-20 Jahre |
Vorteile von Silikatfarbe
Moderne Bauherren setzen zunehmend auf Farben, die Schimmel vorbeugen und das Raumklima verbessern. Mineralische Beschichtungen punkten hier mit einzigartigen Eigenschaften – von ihrer ökologischen Bilanz bis zur extremen Haltbarkeit.
Schimmelresistenz und gesundes Raumklima
Der hohe pH-Wert von 11 wirkt wie ein natürliches Fungizid. Studien zeigen, dass Silikatfarben Sporen abtöten und Neubefall verhindern. Ideal für feuchte Räume oder Altbauten.
Durch ihre offenporige Struktur regulieren sie zudem CO₂ und Feuchtigkeit. Das beugt Kondenswasser vor und schafft ein ausgeglichenes Raumklima.
Umweltfreundlichkeit und Allergikerfreundlichkeit
Anders als herkömmliche Farben enthalten sie keine Weichmacher oder Konservierungsstoffe. Das macht sie besonders verträglich für Allergiker. Zertifikate wie „natureplus“ geben zusätzliche Sicherheit.
Ein weiterer Pluspunkt: Sie setzen keine VOC-Emissionen frei und belasten weder Innenräume noch die Umwelt mit Mikroplastik.
Langlebigkeit und Wetterbeständigkeit
An Fassaden hält Silikatfarbe bis zu dreimal länger als Dispersionsfarbe – oft über 30 Jahre. UV-Strahlen und extreme Temperaturen können ihr kaum etwas anhaben.
Das Geheimnis liegt in der Verkieselung: Die Farbe verbindet sich unlöslich mit dem Untergrund. So entsteht eine nahezu unverwüstliche Oberfläche.
Silikatfarbe Nachteile: Die größten Herausforderungen
Wer mit Silikatfarbe arbeitet, sollte die technischen Eigenheiten kennen. Nicht alle Untergründe sind geeignet, und die Verarbeitung erfordert Präzision. Wir zeigen, wo die Stolpersteine liegen.
Begrenzte Haltbarkeit nach Anmischung
Reine Silikatfarbe ist nur etwa 10–12 Stunden verwendbar. Danach bindet sie ab und wird unbrauchbar. Überschüsse lassen sich nicht lagern – sie müssen als Sondermüll entsorgt werden.
Für große Flächen wie 70 m² empfiehlt sich Teamarbeit. So vermeiden Sie Zeitdruck und Materialverschwendung.
Anspruchsvolle Verarbeitung
Die Nass-in-nass-Technik verlangt Übung: Jede Fläche muss in einem Zug gestrichen werden. Unterbrechungen führen zu sichtbaren Nahtstellen.
Spezialwerkzeuge wie Borstenpinsel sind Pflicht. Roller eignen sich nicht. Die Arbeitszeit liegt laut Studien 23% über der von Dispersionsfarben.
Eingeschränkte Untergrundverträglichkeit
Nur mineralische Untergründe wie Kalk- oder Zementputz sind geeignet. Gipsputz oder alte Dispersionsanstriche führen zu Haftungsproblemen.
Ein Salzsprühtest vorab klärt, ob der Untergrund passt. Bei Altanstrichen hilft oft nur Sandstrahlen – ein kostenintensiver Schritt.
Material | Verarbeitungszeitfenster | Kompatibilität |
---|---|---|
Reine Silikatfarbe | 10–12 Stunden | Nur mineralisch |
Dispersionssilikatfarbe | 48 Stunden | Flexibler |
Risiken bei der Verwendung von Silikatfarbe
Arbeitsschutz steht bei der Verarbeitung alkalischer Farben an erster Stelle. Der hohe pH-Wert (>11) macht das Material zwar schimmelresistent, kann aber Haut und Augen reizen. Wer unsachgemäß arbeitet, riskiert dauerhafte Schäden an Untergründen oder Metallteilen.
Ätzende Wirkung auf Haut und Augen
Laut DGUV-Report 023/2018 verursacht Kaliwasserglas ätzende Reizungen. Direkter Kontakt führt zu Rötungen oder Verätzungen. Wir empfehlen:
- EN ISO 13688-zertifizierte Kleidung
- Chemikalienbeständige handschuhe
- Dichtschließende schutzbrille
Probleme bei unsachgemäßer Anwendung
Metallbeschläge korrodieren durch chemische verbindung mit dem Bindemittel. Ein Praxisbeispiel:
Bei einer Sanierung in Köln führte ungeschützte Stahlträger zu Rostbildung innerhalb von 48 Stunden.
Naturstein verfärbt sich unwiderruflich, wenn Farbreste nicht sofort entfernt werden.
Schwierige Entfernung und Überstreichbarkeit
Einmal ausgehärtet, lässt sich die Farbe nur mechanisch entfernen. Diamantschleifer mit Staubabsaugung sind nötig. Überstreichen funktioniert ausschließlich mit kompatiblen mineralischen Produkten.
Risiko | Schutzmaßnahme | Kosten (ca.) |
---|---|---|
Hautkontakt | Nitril-Handschuhe | 5 €/Paar |
Augensplash | Vollsicht-Schutzbrille | 15 € |
Metallkorrosion | Abdeckfolie | 3 €/m² |
Alternativen zur Silikatfarbe
Nicht immer ist reine Silikatfarbe die optimale Lösung. Je nach Untergrund und Einsatz bieten moderne Wandfarben praktische Vorteile. Wir stellen drei Alternativen vor, die unterschiedliche Bedürfnisse abdecken.
Dispersionssilikatfarbe: Der Kompromiss
Diese Mischung kombiniert Kaliwasserglas mit 5% Kunstharz. Produkte wie StoColor Sil Comfort haften auch auf Raufaser. Die Deckkraftklasse 2 garantiert gute Abdeckung.
Vorteile im Überblick:
- Nassabriebklasse 2: Leichte Reinigung möglich
- 48 Stunden Verarbeitungszeit
- Preisvorteil (ab 62,80€ pro Eimer)
Sol-Silikatfarbe: Flexiblere Anwendung
Hier ergänzt Silikonharz die Rezeptur. Die Farbe eignet sich für Kalk– und Gipsputz. Sie bildet eine wasserabweisende Schicht, ähnlich dem Lotus-Effekt.
Laut Fachquellen schützt sie besonders vor Algenbildung. Ideal für Nordfassaden.
Klassische Dispersionsfarbe: Einfach und günstig
Für Innenräume empfiehlt sich etwa Schöner Wohnen Wohlfühlweiß. Die Amortisation liegt bei 8 Jahren. Allerdings fehlt die Schimmelresistenz mineralischer Farben.
Eigenschaft | Dispersionssilikatfarbe | Sol-Silikatfarbe | Dispersionsfarbe |
---|---|---|---|
Kunstharzanteil | 5% | 3–8% | 100% |
Untergründe | Mineralisch & Tapete | Alle mineralischen | Alle Typen |
Preis/m² | 1,20€ | 1,80€ | 0,60€ |
„Bei Sanierungen setzen wir auf Dispersionssilikatfarbe – sie vereint Haltbarkeit mit einfacher Verarbeitung.“
Tipps für die Verarbeitung von Silikatfarbe
Beim Streichen mit mineralischen Farben kommt es auf Präzision und Vorbereitung an. Die nass-in-nass-Technik erfordert spezielles Know-how und die richtige Ausrüstung. Wir zeigen, wie Sie von der Untergrundprüfung bis zum letzten Pinselstrich alles richtig machen.
Vorbereitung des Untergrunds
Neuer Putz muss mindestens 4 Wochen durchtrocknen. Prüfen Sie die Feuchtigkeit mit einem CM-Gerät – Werte über 2% sind kritisch. Eine 5-Punkte-Checkliste hilft:
- pH-Wert testen (Indikatorstreifen)
- Risse mit Silikatgrund versiegeln
- Staub mit saugfähigem Tuch entfernen
- Metallteile abkleben
- Grundierung bei saugfähigen Flächen
Schutzmaßnahmen beim Streichen
Tragen Sie Nitril-Handschuhe und Schutzbrille nach EN 166. Bei Augenkontakt sofort mit Wasser spülen (15 Minuten). Tipp: Halten Sie Neutralisationsmittel (10%ige Essigsäure) bereit.
Für große Flächen empfehlen wir Edelstahl-Pinsel mit Naturborsten. Diese verteilen die Farbe gleichmäßiger als Roller. Arbeitskleidung sollte komplett bedecken – Kaliwasserglas hinterlässt bleibende Flecken.
Farbauswahl und Abtönmöglichkeiten
Eisenoxidpigmente dürfen maximal 8% der Mischung ausmachen. Testen Sie Farbtone auf Musterflächen bei verschiedenen Lichtverhältnissen. Dokumentieren Sie Chargennummern für spätere Touch-ups.
Reinigen Sie Werkzeuge sofort mit pH-neutralen Mitteln ohne Lösungsmitteln. Hartnäckige Reste entfernen Sie mit einem Spezialreiniger.
Material | Wartezeit | Kontrolle |
---|---|---|
Neuer Zementputz | 28 Tage | Feuchtigkeitsmessung |
Altputz | 0 Tage | Haftzugtest |
Silikatfarbe entfernen und entsorgen
Alte Beschichtungen sicher zu entfernen, ist eine Herausforderung. Die chemische Verbindung mit dem Untergrund macht mineralische Farben extrem haltbar – doch genau diese Eigenschaft erschwert die Entsorgung. Wir zeigen, welche Methoden funktionieren und was Sie rechtlich beachten müssen.
Warum herkömmliche Methoden versagen
Herkömmliche Abbeizer oder Schleifgeräte scheitern oft an der robusten Struktur. Die Farbe dringt tief in Beton oder Putz ein und lässt sich nicht einfach ablösen. Drei Techniken im Vergleich:
- Hochdruckstrahlen (2500 bar): Effektiv, aber riskant für historischen Putz
- Fräsen: Präzise, aber staubintensiv und teuer
- Chemische Lösungen: Nur bei Dispersionssilikatfarben sinnvoll
Ein Praxisbeispiel aus Hamburg zeigt: Bei einer Denkmalfassade dauerte die Sanierung mit Spezialfräsen 40% länger als geplant. Grund waren unerwartet harte Bestandteile im Mauerwerk.
Fachgerechte Entsorgung von Resten
Abgetragene Farbreste gelten als Sondermüll. Die Kosten liegen bei etwa 2,50€ pro Kilogramm. Wichtig:
- Mineralische Fassadenfarbe ist zu 78% recycelbar
- Lagerung in luftdichten Edelstahlbehältern
- Nachweis über Entsorgungsfirma verlangen
Für Innenräumen gibt es biozidfreie Überstreichlösungen. Diese umgehen das Problem der aufwendigen Entfernung. Achten Sie auf die Gefahrstoffverordnung (Anhang III) bei der Arbeitsplanung.
Methode | Kosten/m² | Eignung |
---|---|---|
Hochdruckstrahlen | 12–18€ | Industrieobjekte |
Handfräsen | 25–35€ | Denkmalschutz |
Chemische Ablösung | 8–12€ | Kleine Flächen |
„Beim Strahlen historischer Fassaden arbeiten wir mit reduziertem Druck – sonst zerstört man die Originalstruktur.“
Fazit: Silikatfarbe – lohnt sich der Aufwand?
Die Wahl der richtigen Wandfarbe hängt von vielen Faktoren ab. Mineralische Beschichtungen bieten Vorteile wie Schimmelresistenz und hohe Langlebigkeit. Doch die spezielle Verarbeitung und begrenzte Untergrundverträglichkeit sind Nachteile, die Bauherren bedenken sollten.
Ökologisch überzeugt die Farbe durch ihre Cradle-to-Cradle-Bilanz. Die Amortisation liegt bei etwa 15 Jahren – ideal für langfristige Projekte. Für Allergiker und gesundes Raumklima bleibt sie eine Top-Wahl.
Unser Tipp: Nutzen Sie Dispersionssilikatfarbe für einfachere Verarbeitung. Bei Denkmälern oder Feuchträumen lohnt sich der Aufwand. Für Standardwohnräume reichen oft moderne Alternativen.